Kritik - Frauen natürlich!
Musiktheater über das Thema: Was sind Frauen für Männer?
im Logenhaus "Finkenhof" in Frankfurt am Main

Sopranistinnen luden zum Kuscheln ein

Die Kammeroper Frankfurt brachte in der Loge zum Finkenhof ihre neue Produktion zur Premiere: Frauen, natürlich.

Bei Rainer Pudenz und der Kammeroper ist der Kampf der Geschlechter entbrannt. Ein Jahr nach Männer, natürlich meldet sich nun das weibliche Geschlecht stimmgewaltig: Frauen, natürlich, lautet die neue Devise – gleichwohl tragen zum Gelingen der neuen Collage aus Liedern, Arien, Songs und Lyrik auch die Männer bei. Neben dem bewährten Hausregisseur Pudenz waren dies bei der Premiere vor allem der Bariton Johannes M. Kösters sowie der in markantem Gegensatz zu dessen kerniger Stimme stehende Harald Mathes, der vor allem als schüchtern-vertrottelter Stadinger aus Lortzings Waffenschmied die Herzen der Frauen im Publikum zu erobern trachtete.

Die Frau in mir lauteten die ersten Zeilen des Abends, vertont von Wolfgang Rihm und gesungen vom stabilen, selbstbewussten Kösters. Danach aber meldete sich bereits die erste Frauenstimme sehr präsent zu Wort: Die Mezzosopranistin Christine Graham zeigte in Mahlers Wunderhorn-Lied Scheiden und meiden viel Gefühl für die Emotionen alleingelassener Frauen. Nicht ganz so problematisch sieht es die herzige Ingrid El Sigai, ebenfalls seit vielen Jahren im Ensemble der Kammeroper. Ich lass mir meinen Körper schwarz bepinseln und fahre nach den Fidschi-Inseln, textete seinerzeit Friedrich Hollaender. Und die smarte Sopranistin als Fidschi-Puppe zum Kuscheln mit Feigenblatt und Muscheln? Der Fantasie des Zuschauers waren keine Grenzen gesetzt.

Wenn von Frauen die Rede ist, darf Don Juan ebenso wenig fehlen wie Adele (aus der Fledermaus) – in beiden Rollen fühlte sich Christine Graham wohl. Ingrid El Sigai ging mit ihrer besten Freundin durch die Straßen latschen, um sich auszuquatschen, während die vornehmere Graham sinnlich mit Lust durch einen grünen Wald spazieren ging. Auch dieses Mahler-Lied brachte nicht nur die gute Stimme der Sängerin zutage, sondern auch die Meisterschaft der Klavierbegleiterin Britta Elschner, die an diesem Premierenabend nur dann eine wohlverdiente Pause hatte, wenn die Schauspielerin Simone Jürgens zur Rezitation anhob: Heine ist bei Frauen-Themen ebenso ergiebig wie Charles Baudelaire.

Am Ende aber prallten die Gegensätze wieder in guter Kammeroper-Tradition aufeinander. Freunde, das Leben ist lebenswert, heißt es in Lehárs Operette Giuditta (diesmal gesungen von Christine Graham). Kurz darauf war der kratzige Rausschmeißer ŕ la Wolfgang Rihm dran: Ich mag euch alle nicht. Wenn ihr von mir gehen würdet, ich wäre froh darüber.

Von Matthias Gerhart

Frankfurter Neue Presse, vom 08.03.2010

Liebe und wahre Liebe

Die Kammeroper über "Frauen, natürlich!"

Mit den Männern und den Frauen ist es kein Leichtes. Umgekehrt ist es für Rainer Pudenz, der vor bald dreißig Jahren die Frankfurter Kammeroper gegründet hat, kein Schweres, darauf einen ganzen Lebensweg als Regisseur aufzubauen. "Frauen, natürlich!", nennt der Monothematiker seine neue szenische Variation, die jetzt Premiere hatte. "Was sind Frauen für Männer", so der Untertitel, gibt lose die Richtung vor.

Beim Völkchen, das die Bühne über den Saal entert, könnte es sich um Besucher einer Vernissage handeln; zumindest wird zuerst einmal der Blickfang betrachtet, ein Stuhl und Frauenkörper kryptisch in Verbindung bringendes Gemälde von Mateo Vilagrasa. Kostümbildnerin Margarete Berghoff hat dafür exzentrische Kreationen geschaffen.

Lehár, Mozart, Kreisler

Dreieinhalb Frauen und zweieinhalb Männer sind mit der Klavierbegleiterin Britta Elschner zugange: Rezitatorin Simone Jürgens tritt im Herrenanzug auf, für eine Szene aber legt sie ein Negligé frei. Ihre im Ton einer sich bisweilen harsch äußernden Bitternis vorgetragene Beschwörung von Lust und Leid mit den Worten von Baudelaire, Dante oder Heine zieht sich durch den Abend als Hauptstrang, um den sich die musikalischen Nummern ranken.

Christine Graham steht für die Operette, zu der hier neben Lehár, Kálmán und Johann Strauß auch die "Champagnerarie" gehört. Da gibt es viel Divenbravour, während Ingrid El Sigai mit Friedrich Hollaender, Georg Kreisler, Mischa Spoliansky und etwas zu viel der körperlichen Quirligkeit den burschikosen Gegentypus gibt. Dem geschundenen Mannsbild in Gestalt von Johannes M. Kösters und seinem schattenhaften Wiedergänger Harald Mathes bleibt nur die Verhärmung des Zynikers - und der Untergang.

Das Leiden am anderen Geschlecht will hier in erster Linie unterhalten - und das gelingt. Die wahre Trumpfkarte indes ist die Musik. Hinter all den Faxen wird quer durch das Ensemble sehr gut, in den entsprechenden Momenten gar anrührend gesungen. Die Liebe ist für Rainer Pudenz und die Kammeroper Anlass zum durchaus nicht heiligen Unernst. Die Liebe zur Musik aber erweist sich hier als unverbrüchlich.

Kammeroper Frankfurt im Finkenhof: 10., 14., 17., 19.-21., 26.-28. März.
URL:www.kammeroper-frankfurt.de

Von Stefan Michalzik

Frankfurter Rundschau, vom 08.03.2010