Kritik - Piero
Oper "PIERO - Ende der Nacht" von Jens Joneleit
Münchener Biennale 2008

Jens Joneleits Alfred-Andersch-Adaption "Piero - Ende der Nacht"
als letzte Musiktheater-Uraufführung bei der Münchener Biennale

(München, 30. April 2008) Zum Abschluss der 11. Biennale für zeitgenössisches Musiktheater in München konnte ein Werk endlich so richtig faszinieren: das in vielerlei Hinsicht an Luigi Nono erinnernde "Hörstück für ein Theater der wandernden Gedanken und Klänge", wie Jens Joneleit und sein Textdichter Michael Herrschel ihre freie Adaption von Alfred Anderschs Roman "Die Rote" nennen. Keine Literaturoper ist "Piero - Ende der Nacht", aber doch sind Titel und vertonte Texte wörtlich dem Roman entnommen oder Verdichtung der Gedanken der rothaarigen Hauptfigur: zur Hälfte Reflexionen und Erinnerungen eines Fischers vor Venedig, der wie immer aufs Meer fährt und die letzten vier Tage seines Lebens durchlebt. Im Roman enden damit die vier, je einem Tag gewidmeten Kapitel, in denen von der Flucht der Protagonistin aus einem belastenden Dreiecksverhältnis erzählt wird.

"Die Rote" tritt bei Herrschel/Joneleit als Mezzosopran in drei eingeschobenen inneren - italienisch gesungenen - Monologen auf, die ihre widerstrebenden Gefühle und Gedanken reflektieren. Niina Keitel ist die Protagonistin inmitten eines fantastisch vielgestaltig und exzellent für Stimmen geschriebenen Solisten-Chors aus sechs Männern und sechs Frauen, die ebenso ihrem Kopf zu entspringen scheinen wie dieser Chor in den übrigen Szenen den doppelten Piero - gespalten in einen Bariton (Johannes M. Kösters) und einen Schauspieler (Michael Athenrieth - vervielfacht.

Dieses Vokalensemble - von Annemone Bold eierschalenfarben und weiß gekleidet wie die Gäste in "Tod in Venedig" - erstarrt in Katharina Thomas Regie immer wieder zu lebenden Bildern auf einem Laufsteg aus beweglichen Podien zwischen zwei Stahl-Tribünen, die die ganze Länge der Muffathalle einnehmen. Darauf sitzt das Publikum, darunter musiziert das Ensemble Modern unter Yuval Zorn, dessen Klänge über Lautsprecher im Raum wandern, während das gesungene und gesprochene Wort immer den Ort seines Entstehens bewahrt.

Dieser Raum, der an die Form des rituellen Ballspielplatzes der Mayas vor über 1000 Jahren erinnert und damit eine Brücke schlägt zwischen Heute und archaischer Vorzeit, verbindet sich faszinierend mit dem poetischen, hörend nachvollziehbaren Text, dem emphatischen Gesang und einem fein abgestimmten, weit gefächerten Orchesterpart, der in vier ganz unterschiedlichen, teils umfangreichen Interludien zu ausdrucksvoller absoluter Musik zwischen feinem Streichtrio und geballten Clustern von Blechbläsern eines "Oststurms" gerinnt.

Klaus Kalchschmid

Münchner Abendzeitung, 02.05.2008
Piero, Münchner Abendzeitung, 02.05.2008
Münchner Abendzeitung, 02.05.2008
Piero, Münchner TZ, 02.05.2008
Münchner TZ, 02.05.2008
Piero, Süddeutsche Zeitung, 02.05.2008
Süddeutsche Zeitung, 02.05.2008
Piero, Münchner Merkur, 02.05.2008
Münchner Merkur, 02.05.2008